geplante Denkmälertagung

Les constructeurs de la tour de Babel (St. Savin) 

Anlaß und Ziel
Thema u. Gegenstand
Methode
Veranstalter
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Akademie der Künste 

Abteilung Bildende Kunst
Abteilung Baukunst 
Hanseatenweg 10 
D-10557 Berlin 
Telefon  (030) 3 90 76 - 1 34, 1 66 
Telefax  (030) 3 90 76 - 1 75
 
 
 

 

Denkmale und kulturelles Gedächtnis

nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation

Internationale Tagung vom 18. bis 22. November 1998

 

Anlaß und Ziel

Beim internationalen Kunsthistorikertag des Comité International d’Histoire de l’Art (CIHA) in Amsterdam 1996, der dem Thema „Memory and Oblivion" gewidmet war, beschlossen Wissenschafter/innen aus USA, Canada, Holland und Deutschland, eine eigene Veranstaltung vorzubereiten, die ganz auf Denkmale der Moderne, genauer: der Zeit nach dem 2. Weltkrieg konzentriert sein soll. Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation ist der Blick auf Denkmalprojekte in ganz Europa frei geworden, die gängigen Urteile über die jeweiligen stilistischen und (kunst)politischen Fixierungen in Ost und West können und sollen überprüft werden. Die Analyse der Denkmalpolitik früherer politischer Gegner ist geeignet, die Verständigung über kulturelle Gemeinsamkeiten und Differenzen in Europa voranzubringen. Dieser wissenschaftlichen und politischen Herausforderung wollen wir uns stellen. Außereuropäische Beispiele werden zur Klärung der stilistischen und gesellschaftlichen Strömungen herangezogen.
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Thema und Gegenstand

Fragen nach dem jeweiligen Wechselverhältnis zwischen bildhaften Denkfiguren (Topoi), nationalen oder Gruppen-Erzählungen, und dem stets aktualisierten kulturellen Gedächtnis der Nationen und Gruppen werden die Untersuchung der Denkmale leiten. So ergibt sich für die Tagung eine systematische Grundstruktur, die über Länder- und Blockgrenzen hinweggreift. Figürliche und abstrakte, erzählende und zeichenhafte sowie konzeptuelle künstlerische Verfahren sollen gleichberechtigt nebeneinander betrachtet werden. Wir wollen aber nicht nur Skulpturen oder skulpturale Rauminstallationen analysieren, sondern auch herausragende Beispiele der Bau- und Ingenieurbaukunst, die entweder von Anfang an oder durch spätere Zuschreibungen Denkmalcharakter gewonnen haben. Einige Beispiele sollen verdeutlichen, wie dies gemeint ist:
 
Staatsgründung/Demokratie/Verfassung
In den Staaten Westeuropas besteht seit längerem eine Tradition der bildhaften Selbstverständigung über die historische Legitimität der gewählten Regierungen. In Osteuropa sind, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, eine Reihe von Staaten neu- oder wiedergegründet worden, die sich nun auch mit Denkmalsetzungen oder mit der Neuaneignung und ggf. Umdeutung bestehender Denkmale ein Bild von ihrem Gemeinwesen machen wollen. Folgende Denkmale könnten betrachtet werden:
Tschechien: die Prager Burg als Regierungssitz (von Plecnik für die erste Republik umgebaut)
Ungarn: "Parzelle 301"  Denkmal für die Opfer des Aufstandes von 1956 von Jovánovics (1992 eingeweiht), eventuell im Vergleich mit Imre Vargas Denkmal für den ersten Parlamentspräsidenten nach dem 2. Weltkrieg
Frankreich: die Grands Projekts in Paris (die Grande Arche de la Défense, die neue Bibliothèque Nationale, der Grand Louvre etc.)
Deutschland: das Bundesforum in Bonn und die neuen Regierungsbauten in Berlin
Estland, Lettland, Litauen: die neuen/alten Regierungsbauten
USA: die Mall in Washington, mit Skulpturen, Museen und Freiräumen
Israel: der Berg Herzl mit Herzl-Gedenkstätte und Yad Vashem
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Verschwinden/Vernichtung
In den Vernichtungslagern des NS - und auch im Krieg - sind unzählige Individuen buchstäblich verschwunden, ihre Körper sind verbrannt oder sonst unauffindbar. In Denkmalen und Gedenkstätten wird das Verschwinden der Menschen entweder direkt thematisiert, oder durch (heroisierende oder tröstende) Bildwerke überblendet. Korrekturen an den Grundaussagen der älteren Gedenkstätten sind denkbar, vielleicht sogar nötig. Folgende Denkmale könnten betrachtet werden:
Frankreich: das Monument aux Déportés in Paris (Pingusson, 1962)
Deutschland: Buchenwald, Dachau
Polen: Auschwitz, der Wettbewerb von 1956 und die Folgen
Spanien/Frankreich: Dani Karavans Denkmal für Walter Benjamin
Deutschland: Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin - die "voids" und der Holocaust-Tower.
 
Landgewinn/Landnahme
Die Sicherung der Landesgrenzen und die Urbarmachung der Erde sind die Basis für Errichtung und Fortbestand eines Staatswesens. Technische Bauwerke und andere "zivile" moderne Strategien zur Sicherung des Staatsterritoriums beziehen ihr Pathos aus diesem Grundmuster. Folgende Denkmale könnten betrachtet werden:
Niederlande: Das neue Sperrwerk in der Maas-Mündung vor Rotterdam (Landgewinn durch Küstenschutz)
GUS (ehem. UdSSR): Die transsibirische Eisenbahn; die Raumfahrt als Eroberung des Himmels, Gagarin-Denkmale
Israel: Ben Gurions Haus im Negev (die Urbarmachung der Wüste)
Türkei: Atatürks Musterfarm von 1932
USA: Der Arch to the West in St Louis, 1947-1964 (Jefferson National Expansion Memorial)

Die Aufzählung der Denkmale ist als Denkanstoß gemeint, wir gehen nicht davon aus, daß sie alle bearbeitet werden können.
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Methode

Wir wollen fragen, was die Denkmale über die Organisation und die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses aussagen, welche Erzählungen über Nation, Region oder Gruppe sie aufgreifen, modifizieren oder neu erfinden. Dabei ist es uns wichtig, nicht nur die großen nationalen Erzählungen in Haupt- und Staatsdenkmalen zu betrachten, sondern auch gruppenbezogene, möglicherweise widerständige Denkmalprojekte von Unten einzubeziehen, auch wenn die Objekte selber nur unscheinbar oder temporär sind bzw. waren. Unter dem Begriff des kulturellen Gedächtnisses fassen wir, mit dem Ägyptologen Jan Assmann, den jeder Gesellschaft eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten zusammen, in deren 'Pflege' sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewußtsein von Einheit und Eigenart stützt. Die in den Denkmalen erkennbaren Topoi und Erzählungen bedürfen der institutionalisierten Kommunikation, ohne die ihr Wiedergebrauch nicht organisiert werden kann. Daher fragen wir nicht nur nach Geschichte, Form und Bedeutung der Denkmale als Artefakte, sondern auch nach der Geschichte ihres Gebrauchs und Wiedergebrauchs.
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Veranstalter, Teilnehmer/innen, Organisation

Die Tagung wird von der Akademie der Künste in Berlin veranstaltet, in Zusammenarbeit mit Gabi Dolff-Bonekämper, Peter Feist, Hans-Ernst Mittig, Bernd Nicolai, Jochen Spielmann (alle Berlin) und Edward van Voolen (Amsterdam). Assoziiert sind Hélène Lipstadt (Belmont, USA), Harriet Senie (New York, USA) und Shelley Hornstein (Toronto, Canada).

Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch dem 18. November und endet am Sonntag dem 22. November 1998, am Freitag wird eine Besichtigungstour durch die west-östliche Berliner Denkmallandschaft veranstaltet. Die Anzahl der Referate ist auf sechs pro Tag beschränkt, damit reichlich Zeit zum Diskutieren bleibt. Zusätzlich wird den Teilnehmern die Möglichkeit angeboten, auf mitgebrachten Postern Denkmale zu präsentieren, die nicht in Referaten thematisiert werden können.

Die Teilnehmer/innenzahl wird auf 60 beschränkt sein, ein größerer Anteil der Plätze wird durch die Referentinnen und Referenten eingenommen, weitere Teilnehmer/innen werden eingeladen.
Eine Matinee und eine Abendveranstaltung sind als öffentliche Veranstaltungen für ein größeres Publikum gedacht. Die Publikation der Tagungsbeiträge und Ergebnisse in der Schriftenreihe der Akademie der Künste ist vorgesehen.

Gabi Dolff-Bonekämper
Oktober 1997
 

 Akademie der Künste Berlin / Brandenburg
   



Datum der letzten Änderung: 27. Juni 1998 und  18. Mai 2009

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